
Bibelstudium: Familie in der Bibel
Teil 2: Die Rolle der Familie im Neuen Testament II
- Die neue Familie Gottes bei Jesus und Paulus
In dieser Blogbeitrag-Serie wollen wir entdecken, was aus biblischer Sicht die Aufgabe der Familie ist und wie Familien in der heutigen Zeit diese Aufgabe leben können.
Im zweiten Teil dieser Serie geht es darum, welche Rolle die Familie im Neuen Testament hat.
Die neue Familie Gottes bei Jesus
Im großen Kontrast zu dem, was wir bisher zu Jesus und Familie festgestellt haben, können wir auch sehen, dass Jesus sich immer wieder sehr klar von seiner eigenen Familie distanziert und seine Jünger dazu auffordert, um des Reiches Gottes Willen dasselbe zu tun (Mk 10,29f; Lk 9,59f; 11,27f; 14,26; 18,28f; Mt 10,37; 19,27ff). In Anbetracht der jüdischen Familienstruktur ist dies äußerst anstößig. Es steht auch im Gegensatz zu unserem Beispiel aus Lk 8, in dem Jesus den ehemalig Besessenen eben gerade nicht mit sich gehen lässt, sondern zurück zu seiner Familie schickt.
Jesus sagt an keiner Stelle direkt, dass Familie schlecht ist. Dennoch zeigt er den Menschen (für die Familie einen viel höheren Stellenwert hat als in unserer heutigen individualistisch geprägten Gesellschaft), dass sie – besonders aufgrund der eschatologischen Dringlichkeit – nicht absolut gesetzt werden darf.
Jesus nachzufolgen bedeutet, auch die Familie unter Gott zu stellen (Lk 14,26f). Es kann sogar ein Grund für deren Spaltung sein (Lk 12,52f; Mt 10,35ff). Dafür aber zählt Jesus alle Menschen, die seinen Glauben an Gott teilten, zu seiner Familie (Mk 3,31-35). Denn im Unterschied zu der irdischen Familie hat die Familie Gottes auch in der nächsten Welt Bestand (Mk 10,29f; Mt 19,29f).
Die neue Familie Gottes bei Paulus
Mit der Entstehung der ersten christl. Gemeinschaften, kann diese neue Familie die irdische erweitern oder (bei deren Verlust) sogar ganz ersetzen. „Ähnlich wie im AT sammelt Gott die Nachfolger Jesu Christi in seine neue Familie (Eph 2,19). […] Hier in der Gemeinde wird ein Lebensraum geschaffen, der deutliche familiäre Züge trägt.“[1]
Die neue göttliche Familie („familia dei“) hat Vorrang vor der ursprünglichen. Für einen Menschen, der zum Glauben an Gott kommt, ist die Gemeinde seine erste Familie.
Auch Paulus ist selbst ledig und fordert andere Gläubige dazu auf, um des Glaubens Willen auf die irdische Familie zu verzichten. Da man durch den Verlust der eigenen Familie zur ntl. Zeit sämtlicher Lebensgrundlagen, Sicherheit und oft auch der Identität beraubt wird, kann in diesem Fall die christl. Gemeinschaft die Versorgung übernehmen, für soziale Einbindung sorgen und eine neue gemeinsame Identität schaffen (Mk 3,34f; Apg 2,44ff; Apg 4,32-37).
Die christl. Gemeinschaft kann also die eigene Familie bei deren Verlust ersetzen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie automatisch alle Familien auflöst. Ein Mensch, der gläubig wird, muss nicht in jedem Fall seine irdische Familie verlassen, um Teil der göttlichen Familie zu werden. Wie wir bei Jesus gesehen haben, hängt dies mit der persönlichen Situation und Berufung zusammen und damit, ob die Familie einen daran hindert, Jesus ganz nachzufolgen.
In der Apg können wir sehen, dass die Gemeinde die Familie im Normalfall nicht auflöst, sondern integriert.
Der Theologe Gehring beschreibt in seinem Buch „Hausgemeinde und Mission“, wie Jesus bei einem einzelnen Haus (dem Haus des Petrus) mit seiner Mission anfängt, um von dort aus die ganze Stadt (Kapernaum) und deren Umgebung zu erreichen. Das einzelne Haus dient ihm als Stützpunkt für seine Mission, zu dem er immer wieder zurückkehrt.
In Lk 10,1-12 sendet Jesus seine Jünger aus und fordert sie auf mit derselben Strategie vorzugehen. Sie sollen vom einzelnen Haus angefangen die ganze Stadt erreichen.
Der Theologe Reimer zeigt in seinem Buch „Familie – Zukunft der Kirche“, wie auch die ersten Christen in der Apg systematisch ganze Familien für das Evangelium gewinnen und diese wiederum gebrauchen, um die Botschaft weiterzutragen. „Das Bestreben, die Bekehrung und die Taufe ganzer Familien zu erreichen, war ein fester Bestandteil der Missionsmethoden der Apostel.“[2]
In der Apg finden mehrfach ganze Familien zum Glauben (Apg 16,15; 16,30-34; 18,8; 1.Kor 1,16; 16,15).
Die Evangelisationsstrategie der Apostel bestand weder darin besteht einzelne Individuen zu bekehren, noch ganze Massen oder z.B. nur Kinder. Die normale Strategie war „Oikos Evangelisation“.[3] Das griech. Wort „oikos“ kann nicht nur mit „Haushalt“, sondern auch mit „Familie“ übersetzt werden.
So wird das Evangelium innerhalb einer Familie und darüber hinaus zur nächsten Familie ganz natürlich weitergetragen. Oikos stellte die soziale Einheit dar, durch die die frühe Kirche wächst.
Mehrfach finden wir im NT den Ausdruck „die Gemeinde in dem Haus“ (Phil 1,2: 1.Kor 16,19; Kol 4,15; Röm 16,5). Das private Haus, war der Ort, an dem sich die Gemeinde traf und an dem gelehrt wurde (Apg 2,1f; 5,42; 12,2; 20,20). „Es fällt auf, wie sehr die Urgemeinde den Prozess der Jüngerschaft in die vier Wände des privaten Hauses gelegt hat. Der christliche Glaube wuchs und gedieh in den Häusern. Hier in der engsten Gemeinschaft eines Haushalts kamen sie zusammen, um aus dem Wort Gottes zu lernen, einander die Hand zu reichen und zu unterstützen und miteinander Abendmahl zu feiern (Apg. 2,42+46).“[4]
Nicht nur unter den Juden beginnt die Evangelisation vorrangig im privaten Haus, sondern auch die erste Bekehrung eines Heiden findet dort statt. Kornelius war ein frommer Mann, der mit allen, die in seinem Haus lebten, an den Gott Israels glaubte (Apg 10,2). Kornelius ist eigentlich ein Heide (Apg 10,28). Er bekommt die Vision, dass Petrus zu ihm kommen wird und lädt daraufhin seine Verwandten und seine engsten Freunde ein, damit sie die gute Botschaft hören können (Apg 10,24). Alle werden mit dem Heiligen Geist erfüllt (Apg 10,45) und anschließend getauft (Apg 10,48).
In Anbetracht dieser hohen Bedeutung der Familie für die Ausbreitung des Evangeliums ist es nicht verwunderlich, dass die Christen in 2.Joh 10-11 davor gewarnt werden, in ihre privaten Häuser Irrlehrer hereinzulassen. „Die Zentralität des Hauses und der Familie in der Missionsstrategie […] machte das christliche Haus von der ersten Stunde an zum Angriffsziel des Feindes.“[5]
In dem nächsten Blogbeitrag wird es um das Thema "Familie" in den neutestamentlichen Briefen gehen.
[1] Reimer (2017), S.62
[2] Reimer (2017), S.216 [3] Wolf, S.1 [4] Reimer (2017), S.219 [5] Reimer (2017), S.82
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